Abschied von einem großen Denker, Demokraten und Wissenschaftler: Anton Pelinka (1941–2025)
Mit Anton Pelinka verliert Österreich nicht nur einen seiner prägendsten Politologen und Wissenschaftler, sondern zudem eine der wichtigsten Stimmen der Aufklärung und des demokratischen Bewusstseins. Über Jahrzehnte hinweg prägte er als öffentlicher Intellektueller und unerschrockener Mahner das politische Denken seines Landes. Pelinka, der am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck generationenübergreifend wirkte, verstand Wissenschaft nie als elitäres Unterfangen, sondern als einen demokratischen und öffentlichen Auftrag. Schon früh rückte er Themen in den Mittelpunkt, die in Österreich lange verdrängt worden waren, unter anderem die Mitverantwortung an den Verbrechen des Nationalsozialismus, struktureller Antisemitismus und die Gefahren des Rechtsextremismus. Seine klare Haltung brachte ihn immer wieder in Konflikt mit den Mächtigen, am bekanntesten hierbei wurde sein Prozess gegen Jörg Haider, den er letztinstanzlich vor dem Obersten Gerichtshof für sich entschied.
Nicht nur in Österreich, sondern international genoss Pelinka hohes Ansehen. Er war nicht nur Gastprofessor in Stanford, Harvard und Jerusalem, sondern auch maßgeblich an der Gründung des „Conflict – Peace – Democracy Cluster (CPDC)“ beteiligt. Diese Initiative spiegelt sein lebenslanges Engagement wider, nämlich die wissenschaftliche Durchdringung von Konfliktursachen, die Stärkung demokratischer Strukturen und die unermüdliche Arbeit für den Frieden. Demokratie, Konfliktursachenforschung und Frieden hängen auf engste zusammen. Und deren Erforschung ist ein essentieller Bestandteil der Friedensforschung – wie wir sie an der Universität Graz praktizieren. Gerade für die Friedensforschung ist Pelinkas Ansatz heute so relevant wie nie. Er zeigte in dem Sammelband, “Friedensforschung, Konfliktforschung, Demokratieforschung” (2016) welches er mit Gertraud Diendorfer, Blanka Bellak und Werner Winstersteiner herausgab, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, sondern immer wieder gegen ihre Feinde verteidigt werden muss. Seine Arbeiten zur „dynamischen Demokratie“ und zur Bekämpfung des Faschismus liefern uns auch heute noch das Handwerkszeug, um populistische Strömungen und autoritäre Versuchungen zu analysieren und zu widerstehen.
Pelinkas Werke sollten wir auch heute noch deshalb weiterlesen, weil sie in einer Zeit der Polarisierung und der simplen Antworten an Komplexität und Differenzierung erinnern. Sie lehren uns, politische Phänomene historisch einzuordnen und demokratische Errungenschaften wertzuschätzen. Sein jüngstes Buch „Faschismus? Zur Beliebigkeit eines politischen Begriffs“ (2022) ist dabei nur das letzte Zeugnis seines unermüdlichen Schaffens
Anton Pelinka war mehr als ein Wissenschaftler – er war “ein Citoyen”, ein kosmopolitischer Bürger im besten Sinne des Wortes. Ein Akademiker der Verantwortung übernahm, Haltung zeigte und seine Erkenntnisse mit der Gesellschaft teilte. Sein Vermächtnis wird fortwirken, in der Politikwissenschaft, in der Friedensforschung, in der öffentlichen Debatte und in den Köpfen all jener, die von seiner Leidenschaft für die Demokratie angesteckt wurden. Wir verlieren mit ihm einen Aufklärer – und einen „Lehrer“, der uns zeigte, wie Politik funktioniert, warum sie scheitern kann und was es braucht, um sie zu bewahren.
Ein Nachruf von Josef Mühlbauer (Universität Graz) vom 6.10.2025